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Angst macht auch Sinn

Angst

Angst hat in der Geschichte der Menschheit eine lange Tradition. Sie wird zu den archaischen Gefühlen gerechnet. Oft geht Angst mit psychischen Störungen einher, aber sie kann auch nützlich sein. „Ohne Angst hätten die Menschen früher nicht überleben können. Und auch heute noch warnt uns die Angst vor Risiken“, erklärt Gerhard Steiner, Msc, Systemischer Psychotherapeut und Lebensberater im Gesundheitszentrum Seestadt, 1220 Wien.

Angst können wir nicht nur als isoliertes Gefühl betrachten, sondern als Teil eines ganzheitlichen Erlebens. Angst ist entwicklungsgeschichtlich das älteste Gefühl und kann alle anderen Gefühle beeinflussen oder gar überlagern. Deshalb ist auch die Bezeichnung „Gefühlslandschaft Angst“ eine zutreffende. Das Wort „Angst“ lässt sich auf das griechische Verb „agchein“ und das lateinische „angere“ zurückführen. Beides heißt übersetzt „würgen“ oder „die Kehle zuschnüren“.

Angst und Stress

Ursprünglich ist Stress eine großartige Erfindung. Gerhard Steiner: „Bei Gefahr werden vom Gehirn bestimmte Signalstoffe produziert, in das Blut abgegeben, sowie durch die Nebennieren die Produktion und Abgabe von Hormonen angeregt.“ Das Herz schlägt dann schneller und das Blut bindet mehr Sauerstoff. Der Körper ist damit besser in der Lage, sich zu verteidigen oder zu fliehen. Letztlich diente dies dem Zweck, die letzten Reserven im Körper zu mobilisieren, damit eine bedrohliche Situation bewältigt werden konnte. Im Laufe der menschlichen Entwicklung wurde die Stressfähigkeit nach und nach differenzierter ausgebildet und wird nun als Stressreaktion bezeichnet – der Auslöser dieser Reaktionen ist die Angst.

Was bedeutet Angst

Der idealtypische Verlauf einer Angst-Stress-Reaktion beinhaltet die Phasen: Signal einer Bedrohung als konkreter Auslöser, Angst als Initialgefühl des Stresses, der Stress mündet in bewältigendes Handeln, dabei verwandelt sich die Angst und verfliegt. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort, wonach Angst Flügel verleiht.

Prinzipiell gibt es zwei Merkmale, welche den Menschen auszeichnen, die Angst besonders intensiv und differenziert zu nutzen: Dem Menschen ist es möglich, nicht nur ängstlich zu sein, um sich zu schützen, sondern auch um andere Menschen vor Gefahren zu bewahren.

Die Angst sich selber vor Gefahren oder Bedrohungen zu bewahren, hat aber einen Haken, so Gerhard Steiner: „Wenn ich mir bedrohliche Situationen vorstelle, dadurch Angst entwickle und erstarre, kann ich kein Handeln erzeugen. Viele Menschen leiden darunter und in Folge kann sich dadurch ein ängstliches Grundgefühl entwickeln.“

Im Tohuwabohu der Ängste

Ängste können verschiedene Zustände entwickeln und damit das Lebensgefühl enorm beeinträchtigen.

Zum Beispiel gibt es eine Angst, die sich verfestigt und die in andauernder Hilflosigkeit feststeckt. Jeder kennt es: Im Job läuft es nicht mehr gut oder in der Ehe kriselt es schon länger.

Angst kann aber auch eine hohe körperliche Grundanspannung erzeugen. Aufgrund ihrer Erfahrungen oder Bedrohungen sind Menschen „ständig auf der Hut“; die Gedanken kreisen immer wieder um das selbe Thema.

Eine andere Form ist die ständige Angst, sie kann zu sozialem Rückzug führen. Verbunden mit einem hohen Erregungsniveau können Menschen zu „Angreifern“ werden, indem sie „bissig“ nach außen agieren.

Manche Menschen verstummen durch dauerhafte Angst. Sie führt zu einer Anspannung und einer Enge im Körpergefühl, das macht sich bemerkbar durch Druck in der Brust, Atemnot oder der Hals schnürt sich zusammen.

Es gibt aber auch viele kleinere Ängste, die im Alltag da und dort auftauchen. Oft sind einem diese Ängste bewusster, sie können aber das Leben mehr beeinflussen als die großen Ängste. Beispiele dafür sind das Bewerbungsgespräch (komme ich gut an) oder hoffentlich schaffe ich die Führerscheinprüfung.

Angst und Psychologie

Gerhard Steiner: „Meist wollen wir die Ängste loswerden. Dieses Anliegen ist natürlich menschlich, nur gelingt es selten. Erfolgversprechender ist, die Angst zu akzeptieren, damit kann man sie fast immer auch verringern.“

Der erste Schritt zur Verringerung der Ängste heißt, sich den Ängsten zu stellen und ihnen ins Gesicht schauen. „Damit gehe ich bewusster um, indirekt akzeptiere ich die Angst und nehme sie an. Allein diese Entscheidung kann zu einer großen Erleichterung führen und meine Angst mildern“, so der Experte. Sinn macht es, ein Angst Tagebuch“ anzulegen, um möglichst konkret zu notieren, was ängstigt.

Wenn die Angst sehr dominant ist, dann zieht sie alle Aufmerksamkeit ganz stark auf sich. Hier muss man lernen den Blick auf Hilfen zu lenken, einen Blick, der über die Starre der Angst hinaus schweifen lässt.

Rasche Hilfen

Hilfreich sind auch Fantasiereisen, z.b. Michael Endes Traumfresser-Erzählung. Mit einer Umdeutung der Geschichte kann jungen und alten Menschen geholfen werden. Gerhard Steiner: „Aber auch Atemübungen und Bewegung sind vielen Menschen hilfreich. Wenn die Angst und der Atem eng macht, dann hilft es, sich auf den Atem zu konzentrieren und gleichmäßig ein und aus zu atmen. Sich bildlich dabei vorzustellen, wie die Luft im Körper zirkuliert, kann den Effekt noch verstärken. Manchen Menschen hilft Bewegung – gehen, walken, spazieren oder joggen.“ In manchen Fällen genügen diese Maßnahmen nicht. Dann braucht es zusätzlich fachliche Unterstützung in Form von einer Beratung oder Psychotherapie.

Buchtipp: Udo Baer, Gabriele Frick-Baer, Das große Buch der Gefühle, 360 Seiten, BELTZ Verlag; 3. Auflage 2017; ISBN: 978-3-407-85846-7

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