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Auf den Selbstwert achten

Selbstwert

Der Selbstwert ist das Gefühl, das ich zu mir selbst habe. Selbstachtung ist die Haltung, mit der ich zu mir stehe. Darunter versteht die Psychologie die Bewertung, die man von sich selbst hat. Sowohl ein gesteigertes als auch ein geringes Selbstwertgefühl kann ein Symptom einer psychischen Störung sein. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Selbstwert auch unpräziser Weise mit Selbstbewusstsein gleichgesetzt.

Der bewusste Umgang mit dem eigenen Selbstwert kann als „Selbstachtung“ bezeichnet werden. Es handelt sich dabei gewissermaßen um eine Instanz in uns, die kommunikative Signale auf bewertende Botschaften untersucht. Diese Haltung schützt uns innerlich und wirkt sich auf die eigenen Handlungen aus. „Wer sich selbst achtet, handelt aufgrund von Werten und übernimmt Verantwortung für das eigene Tun.“

Gerhard Steiner, Msc, Systemischer Psychotherapeut Lebensberater im Gesundheitszentrum Seestadt, 1220 Wien: „Wenn ich mich achte, kann ich eigene Fehler wahrnehmen und korrigieren, denn ich vertraue auf meinen Wert. Nur wer sich aus innerer Not perfekt, unangreifbar, überheblich zeigen muss, hält eigene Schwächen nicht aus und versucht diese zu vertuschen oder zu überspielen.“ Wer zu sich selbst steht, kann auch mit Unsicherheiten leben und mit diesen wohlwollend umgehen. Aber letztlich gehören Unsicherheiten zum Menschsein.

Selbstwertgefühl ist wichtig

Selbstachtung ist eines der wichtigsten Ziele in de Persönlichkeitsentwicklung. Meist jedoch gefährden und stören die üblichen Ausbildungssysteme Selbstwert und Selbstachtung. Gelungene Beziehungen, Leistungsfähigkeit, Zielstrebigkeit, eine menschenwürdige Gesellschaft – alles gedeiht immer auf der Basis von Menschen mit Selbstachtung.

Manche Menschen machen sich ihr Sich-fremd-Sein weniger an der Umgebung als an ihrer Person fest – z.B. an ihrer Unruhe und an ihrem Getriebensein. Gerhard Steiner: „Wir Menschen tragen alle ein Bündel von Erfahrungen in uns, deren wir im Großen und Ganzen sicher sind: Gefühle, Körperempfindungen, Überzeugungen, Beziehungserfahrungen. Dieses Bündel ist im Prozess dessen, was wir erlebt haben, gewachsen und wächst weiter, solange wir leben und für neue Erfahrungen offen bleiben. Es kann in Krisen bedroht werden und alles, was sicher war, infrage stellen.“

Von Krisen abgesehen bildet dieses Bündel von Erfahrungen einen Kern des Selbstverständlichen. Fehlt dieser Kern oder ist er zu schwach ausgebildet, fühlen Menschen sich oft sich selbst fremd, zu abhängig von anderen, getrieben und unsicher. Und dies nicht nur gelegentlich, sondern in langen Phasen ihres Lebens, tief gehend und ihre Persönlichkeit, ihre Existenz betreffend. Was sie antreibt, ist die Suche nach ihrem Selbst, nach dem, was sie im Innersten ausmacht. Sie sehnen sich nach innerer Ruhe, nach einem Gefestigtsein, das ihnen Kraft und Boden für ihr Leben bietet.

Selbstwert aufbauen und stärken

Folgende fünf Hauptwege zum Mit-sich-Selbst-in-Beziehung-Sein sind häufige und wichtige Bestandteile individueller Wege zum Mit-sich-Selbst-in-Beziehung-Sein.

Tipp 1: Innenschau und Ausdruck

Wer in sich wohnen möchte, muss in sich schauen, sich wahrnehmen, seinen Regungen Achtsamkeit schenken. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Wenn man sich fremd fühlt, gilt es, besonders dem, was am Rande der Aufmerksamkeit gerade noch bemerkbar ist, Beachtung zu widmen. Auch dem Ausdruck kann vieles entgegenstehen. Beschämung, Angst und Resignation sind häufiges Bremsen, den Regungen des Erlebens nachzugehen und das, was man erlebt, sichtbar werden zu lassen.

Tipp 2: Mitgefühl

Wer sich fremd gegenübersteht, kann kein Mitgefühl für sich empfinden. Mitgefühl für sich zu entwickeln bedeutet vor allem, eine Haltung des Mitgefühls für die Teile der eigenen Lebendigkeit einzunehmen, die fremd geblieben sind. Das können Erfahrungen aus der Kindheit sein oder Erlebnisaspekte des Erwachsenenlebens.

Tipp 3: Beziehung

Wir Menschen brauchen andere Menschen, um uns kennenzulernen, um all die vielfältigen Aspekte unserer Lebendigkeit zu entdecken. Wir brauchen Menschen, die uns anregen und unterstützen. Wir brauchen Menschen, die uns ehrlich spiegeln, wer wir sind und wie wir sind. Wir brauchen Menschen, die uns ein Gegenüber sind, an denen wir uns reiben können.

Tipp 4: Entscheidungen und Konsequenzen

Manchmal ist es für Menschen schwierig, eigene Entscheidungen zu treffen – es kann eine mühsame Herausforderung sein. Eine Hilfe oder ein erster Schritt besteht in der Frage: „Was sagt ihr Herz oder was sagt Ihr Bauch dazu?“ Sie müssen ja nicht das tun was Ihr Herz oder Ihr Bauch meint. Manchmal sprechen gute Gründe dagegen, das, was das Herz oder der Bauch sagt, in die Tat umzusetzen. Fast immer aber können Herz und Bauch einen Kommentar zu der anstehenden Entscheidung abgeben, der hilfreich für die Entscheidungsfindung ist.

Tipp 5: Anderssein und Hingabe

Wer sich erlaubt, eigensinnig und anders zu sein, verändert seine Beziehung zu anderen Menschen. Er wird interessanter werden und das Besondere anderer interessanter finden; er wird selbstbewusster werden und es sich auch erlauben können, sich ohne Angst und Anstrengung manchmal als ganz durchschnittlich zu erleben, anderen Menschen und Meinungen manchmal den Vorrang zu geben, Kompromisse einzugehen und die eigenen Bedürfnisse auch einmal hintanzustellen. Letzten Endes ist das Anderssein auch eine Voraussetzung für die eigene Hingabe.

Auch der österreichische Lyriker, Übersetzer und Essayist Erich Fried machte sich über Selbstachtung und Selbstwert seine Gedanken:

„Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er habe Angst,
aber hab Angst vor dem, der sagt, er kenne keine Zweifel.“

Buchtipp: Virginia Satir, Selbstwert und Kommunikation, Klett-Cotta Verlag, ISBN 978-3-608-89044-0

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