Scheidung mit Kindern
Scheidung mit Kindern – Was Sie wissen sollten
16. Juni 2020

Krise als Entwicklungsmöglichkeit

Krise als Entwicklung

Das Wort Krise stammt aus dem Griechischen: „Krísis“ – bedeutete ursprünglich Meinung, Beurteilung, Entscheidung. Heute wird es im Sinne von „Unsicherheit, bedenkliche Lage, Zuspitzung, Entscheidung oder Wendepunkt“ verwendet. Im Chinesischen bedeutet das Wort Krise gleichzeitig auch Chance.

In der Medizin des Hippokrates verwies der Begriff „Krise“ auf den Höhe- und Wendepunkt des Krankheitsgeschehens: Entweder führte die Krankheit in die Katastrophe, den Tod, oder aber die Krise ging in eine Besserung des Geschehens über. „Je bedrohlicher, je existentieller Lebenskrisen erlebt werden, desto häufiger und elementarer sind sie an die religiöse Dimension gekoppelt“, erklärt Gerhard Steiner, MSc, Systemischer Psychotherapeut Lebensberater im Gesundheitszentrum Seestadt, 1220 Wien.

Durch die existenzielle Not, die derjenige spürt, baut sich in ihm ein unabänderbarer Druck auf, der eine Veränderung von Verhaltens- und Erlebensweisen erzwingt. Menschen, die sich in einer Krise befinden, ziehen sich meist zurück, um sich auf sich selbst und das Problem mit ihrer ganzen Kapazität konzentrieren zu können. Dies bedeutet nicht selten den sozialen Ausschluss. Gerhard Steiner: „Andererseits geben uns Krisen die Chance, anstehende Entwicklungsschritte nachzuholen, die wir aufgeschoben haben.“

Merkmale psychischer Krisen

Eine Krise im psychosozialen Sinn besteht im Verlust des seelischen Gleichgewichts.  Sie entsteht, wenn sich eine Person Hindernissen auf dem Weg zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder bei der Alltagsbewältigung gegenübersieht und diese nicht mit den gewohnten Problemlösungsmethoden bewältigen kann.

Eine psychische Krise ist durch ein Ereignis oder akutes Geschehen hervorgerufener schmerzhafter seelischer Zustand oder Konflikt innerhalb einer Person. Gerhard Steiner: „Der oder die Betroffene erlebt Angst, Panik, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit und fühlt sich in seiner ganzen Identität und Kompetenz bedroht.“ Es entsteht ein gefühltes Ungleichgewicht zwischen der subjektiven Bedeutung des Problems und den Bewältigungsmöglichkeiten, die dem Betroffenen zur Verfügung stehen.

Frühere Erfahrungen im Bewältigen schwieriger Lebenssituationen stehen den Betroffenen in der Krise nicht zur Verfügung bzw. sind diese Strategien unzureichend geworden. Eine Krise stellt bisherige Erfahrungen, Normen, Ziele und Werte in Frage und hat oft für die Person einen bedrohlichen Charakter. Sie ist zeitlich begrenzt.

Gefährliche Begleiterscheinungen

Eine langanhaltende Krise ohne entsprechende Bewältigungsstrategien des Individuums ist häufig mit psychosomatischen Beschwerden und/oder psychischen Erkrankungen wie z.B. Angststörung, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen verbunden und kann unter Umständen zu Vermeidung, Suizidalität, Schlafstörung, Essstörung, Stress, Suchtverhalten oder anderen negativen Begleiterscheinungen führen.

Die innere Bedeutung des Krisenanlasses und die Fähigkeit sich damit auseinander zu setzen sind mitbestimmend, ob eine Krise entsteht und in welcher Intensität sie auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene zum Ausdruck kommt. Der Verlauf einer Krise hängt ab von der Qualität der Selbst- und Fremdhilfe und des frühen, am besten sofortigen Einsetzens und Anbietens von Hilfe.

Zwei Arten von Krisen

Prinzipiell ist es hilfreich Krisen in zwei Arten zu unterteilen, in Lebensveränderungskrisen (wenn Menschen anhand von notwendigen Entwicklungen, z.B. Studienzeit, Stress bekommen) und in traumatische Krisen (einschneidende Schockerlebnisse wie der Tod eines nahen Menschen)

Eine Krise wünscht man sich nicht herbei, der Begriff ist negativ besetzt, man verbindet damit nichts Angenehmes. Dabei besteht in der Krise die Möglichkeit der Weiterentwicklung, der Veränderung und Wandlung. Erlebens- und Verhaltensweisen oder alte Muster können verändert werden und so zu einem neuen, positiveren Lebensgefühl führen. Am Anfang einer Krise ist das jedoch den meisten Menschen nicht bewusst.

Entwicklungsmöglichkeiten in einer Krise

Eine Krise zeichnet sich weiter dadurch aus, dass sie zeitlich begrenzt ist und durch frühere Strategien nicht bewältigt werden kann. Wer sich in einer Krise befindet, steht an einem Drehpunkt einer notwendigen Entscheidung. Sie kann entweder positiv ausgehen, in Form von Lernen neuer Strategien und Entwicklung eines neuen Identitätserlebens. Sie kann sich  aber auch negativ entwickeln und endet in einer Depression mit Suizidgedanken oder sogar mit einem Suizidversuch. Aufgrund der intensiven Angst durch die existentielle Bedrohung, die wir in dieser Krisensituation empfinden, wird der Entscheidungsprozess beeinträchtigt oder blockiert, deswegen wird bei Kriseninterventionen im ersten Schritt versucht, die Beengung und damit die Angst etwas zu lösen.

Ein weiteres, oft anzutreffendes Symptom einer Krise sind Schuldgefühle die Betroffene haben, und es als ihr Verschulden an ihrer Situation oder des etwas Versäumthaben, empfinden. Schuldgefühle können auch als Ressource verstanden werden, nämlich uns darauf aufmerksam zu machen, wo wir in unserem Leben etwas verändern sollten. Sie können als Anhaltspunkt auf wesentliche eigene Lebensmöglichkeiten sein, die wir bisher noch nicht genutzt haben.

Manchmal werden sie neurotisch und damit ineffektiv, was bedeutet, dass unsere Gedanken rotieren und nur noch um unsere Schuldkreisen, anstatt schöpferisch etwas zu ändern. Wichtig ist zu sagen, dass nicht bei allen Menschen, die eine Krise durchleben, Schuldgefühle auftreten.

Modelle psychischer Krisen

Persönliche Krisen lassen sich unterteilen in die „Lebens- oder Existenzkrise“ die bei  Unsicherheiten grundlegender Bedürfnisse besteht, die „Identitätskrise“ bei einer Anzweiflung der eigenen Persönlichkeit und die „Schaffenskrise“ bei einer starken Produktivitätsblockade. Im philosophischen Sinne lassen sich persönliche Krisen auch in die Sinneskrise, die Existenzkrise und die Erkenntniskrise unterteilen.

Anzeichen einer seelischen Krise sind:

  • Handlungsunfähigkeit
  • Sicherheitsverlust
  • Kontrollverlust
  • Angst – Trauer – Wut
  • Sinnverlust
  • Sinnfrage
  • Verlust der Denkfähigkeit
  • Zeitdruck
  • Leidensdruck
  • körperliche Symptome

Bewältigung psychischer Krisen

Gerhard Steiner: „Bei intensiven psychischen Problemen ist es ratsam, sich Hilfe zu holen. Psychotherapeuten oder andere beratende Berufe können mit einer Krisenintervention zur Seite stehen. Wenn notwendig, können Ärzte dabei mit Medikamenten unterstützen.“  

Bei geringeren psychischen Belastungen kann die Krisenbewältigung auch durch Familie und Freunde unterstützt oder auf Selbstheilungskräfte vertraut werden. Sicher ist das die häufigste Art der Krisenbewältigung. In Krisen können neue Fähigkeiten entdeckt oder wiederbelebt werden. Populäre Beispiele kommen immer wieder von Künstlern wie Musikern oder Sängern, welche ihre seelischen Krisenerfahrungen in Liedern verarbeiten.

Diese Möglichkeit der Verarbeitung durch musikalische Auseinandersetzung wird auch durch die Musiktherapie genutzt. Die Fähigkeit, Krisen bewältigen und ertragen zu können, wird auch als Resilienz bezeichnet.

Enttäuschungen sind nur Haltestellen
in unserem Leben, die uns
Gelegenheit zum Umsteigen geben,
wenn wir in die falsche Richtung fahren.

(Unbekannt)

Buchtipps:

Verena Kast: „Der schöpferische Sprung“: Vom therapeutischen Umgang mit Krisen; Patmos Verlag 2017, Taschenbuch 232 Seiten, ISBN: 978-3843610070

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Kirstin Berger-Loewenstein: „RESILIENZ“ – Wie Sie Rückschläge meistern und Krisen effektiv bewältigen; Loewnstein 2020, Taschenbuch 103 Seiten, ISBN: 979-8609163592

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